Das könnte man sich manchmal fragen. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünschen, auf der anderen Seite gibt es Kinder, die keine Familie und kaum Zukunftschancen haben, also alles paletti?
Nicht ganz, denn meist leben die Menschen, die gern ein Kind adoptieren möchten, in den reicheren Industriestaaten, und die Kinder ohne Familie in sehr armen Ländern. Da ist zum einen eine heikle Frage von Moral und Menschenwürde, von nationaler Identität und dem Stolz, einer bestimmten Nation anzugehören, und der Scham darüber, als Nation die eigene Zukunft (die Kinder) ins Ausland zu geben. Und da kommt Geld ins Spiel und Menschen, die ihren Vorteil wittern, auf Kosten dieser beiden Gewinn erzielen zu können, das geht bis zu Menschenhandel, dem Verkauf von Kindern, dem Fälschen von Papieren und Gesundheitszeugnissen … Das sind Ausnahmen, aber Ausnahmen solcher Art dürfen nicht vorkommen. Hier kommen die Adoptionsagenturen als seriöse Vermittler ins Spiel. Sie durchlaufen als Institution (in Deutschland treten sie meist in der Rechtsform eingetragener Verein auf) ein Anerkennungsverfahren in beiden Ländern, dem Herkunftsland des Kindes und dem Wohnland der Adoptiveltern. Damit erwerben sie Vertrauen auf beiden Seiten, garantieren durch ihre Mitwirkung, dass bei der Adoption keine Regeln verletzt werden. Das ist gut und notwendig und wichtig.
Allerdings ist es – seit dem Haager Abkommen, das dem Schutz von Adoptivkindern gilt - aus den meisten Ländern gar nicht mehr möglich, OHNE eine Agentur zu adoptieren. Das Landesjugendamt würde einer solchen Adoption nicht zustimmen.
Die Kehrseite der Medaille ist nun zum einen, dass es durch die standardisierten Verfahren, mit denen die einzelnen Agenturen arbeiten, kaum mehr möglich ist, individuelle Wünsche bei der Adoption zu berücksichtigen. Ich habe jahrelang in dem Land, aus dem ich gern adoptieren würde, gelebt, es ist meine Wahlheimat, ich habe dort enge Freunde, ich kenne das Kinderheim vor Ort, die Ärzte, das Umfeld, die Adoptivgroßeltern leben ein paar Kilometer entfernt. Doch ich habe so gut wie keine Chance, von dort zu adoptieren, obwohl es ideal wäre, mit dem Kind erst ein paar Monate in seiner alten Umgebung zu leben statt es gleich in den Flieger zu setzen in ein fremdes Land. Doch die Adoptionsagenturen berücksichtigen keine regionalen Wünsche, sie arbeiten auf höherer Ebene und bekommen dann vielleicht einen Kindervorschlag aus einer 1000 Kilometer entfernten Gegend, einer völlig anderen Region.
Lästig ist auch, dass zum standardisierten Verfahren auch eine Rundum-Organisation durch die Agentur gehört. Man wohnt im Hotel (und wenn die Freunde zwei Straßen weiter wohnen), man bekommt einen Betreuer zur Seite (obwohl man die Stadt wie seine Westentasche kennt), man fährt mit dem Taxi (obwohl der Bus bis vor die Tür des Kinderheims fährt), man wird ständig von einem Übersetzer begleitet (mit dem man sich in der Landessprache unterhält). Und Hotel und Betreuer und Taxi und Übersetzer kosten natürlich Geld, viel Geld, was die eh schon absurde Situation noch schwerer erträglich macht. (Eine Bekannte, P., hat aus diesem Grund ihre Adoption auf ein anderes Land verlagert, weil sie diese Umstände des Verfahrens in „ihrem“ Land, in dem sie seit 10 Jahren lebt, nicht ertragen konnte und die Adoptionsagentur nicht bereit war, vom Standard abzuweichen.)
Was nicht nur einfach lästig ist, sind Fälle wie der von voriger Woche, in der eine Adoption im letzten Moment aus fadenscheinigen Gründen gestoppt wurde. Die von der Vermittlungsagentur angeführten „Gründe“ waren keine neuen Fakten. Auch der Blog, nur ein Punkt von mehreren, war der Agentur pflichtschuldigst mitgeteilt worden. Die Gründe waren fadenscheinig. In einem zweijährigen Verfahren kann man manches klären, aber es ist ein Unding, die Adoptionseignung als positiv abzuschließen, einen Kindervorschlag zu unterbreiten, und dann eine Woche vor dem Abflug „Nee, doch nicht“ zu sagen. Da wurde Macht ausgespielt – aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen. Skandalös? Ja. Willkür? Ja.
Aber Menschen, die gern ein Kind adoptieren wollen, sind erpressbar. Sie lassen sich auf Bedingungen ein, akzeptieren Kompromisse, um den Stempel „adoptionsgeeignet“ auf die Stirn zu bekommen.
Die Agenturen legen allergrößten Wert darauf, dass in der Öffentlichkeit nicht über die Verfahrensweise bei Auslandsadoptionen geredet wird. Da wird in Foren mitgelesen, da werden Adoptiveltern angezählt, weil sie im eigentlich geschützten Raum eines Forums* Kritisches äußerten. Und alle spielen mit – wegen ihrer Kinder oder zukünftigen Kinder. Auch ich, denn ich nenne hier keine Namen, weder den der Agentur*, mit der ich Kontakt hatte, noch der Agentur*, die letzte Woche Stopp gesagt hat, weder den von P.* noch den der Nun-doch-nicht-Adoptivmutter*, die immerhin inzwischen einen auf Auslandsadoptionen spezialisierten Anwalt konsultiert hat.
*Namen sind der Redaktion bekannt ;-)
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